Das eigene Bewusstsein ist die einzige Instanz dieses Phänomens, zu der man direkten Zugang hat. Man kann (noch) kein Experiment entwerfen, in dem man direkten Zugang zu einen anderen Bewusstsein hat. Man ist auf Interpretation von Aussagen, Handlungen oder auf die Messungen von Gehirnströmen beschränkt. Hat man Interesse am Bewusstsein und will es besser Verstehen ist man zwangsweise selbst der Experimentator und das Versuchskaninchen1. Nicht zuletzt deshalb ragen sich viele Mythen um das Bewusstsein und große globale Organisationen (Religionen), aber auch kleine, lokale (Sekten) instrumentalisieren es um ihren eigenen Interessen zu dienen.
Auch im säkularen Umfeld gibt es Interesse an dem großen Mysterium des Bewusstseins, z.B. die Bewilligung des Human Brain Project der Europäischen Union, das mit über 1 Mia Euro gefördert wurde 2. Der Sitz des Bewusstseins wird, falls es lokal aus der Komplexität des Körpers erwächst, im Gehirn vermutet. Schafft man es, das menschliche Gehirn hinreichend gut zu modellieren, erhofft man sich die Existenz und Natur des Bewusstseins ableiten zu können.
Dieses große Ziel ist aber über 10 Jahre nach Beginn des Human Brain Projects noch in weiter Ferne. Auch scheint es fundamentale Unstimmigkeiten unter den Forschern darüber zu geben, wie man überhaupt über das Gehirn denken sollte. Es wirkt irgendwie unklar, was überhaupt gemacht werden soll. So ist es verständlich, dass die Hauptarbeit (und das meiste Geld) des Projektes in die Entwicklung der Plattform geflossen sind, in der die (beim Menschen 86 Mia) Neuronen des Gehirnes simuliert werden sollen. Aus dem großen interdisziplinären Projekt von Philosophen, Neurowissenschaftlern, Medizinern und Mathematikern wurde ein Softwareprojekt. Man hat sich auf die technische Seite beschränkt, um den sicheren Boden nicht zu verlassen und konkrete, ‘sinnvolle’ Dinge vorweisen zu können mit denen man sich beschäftigt hat. Eine Konsequenz des ‘bottom-up’ Ansatzes, der (implizit?) gewählt wurde. Die Hoffnung, dass sich aus der Simulation des Gehirns auf fundamentaler Ebene alles andere (Denken, Erinnern, ‘freier’ Wille, Bewusstsein) ergibt. Bei der Konstruktion des Models muss man sich entscheiden, was die kleinsten Bauteile sein sollen. Reicht es auf das Level der Neuronen zu gehen, oder muss man die Moleküle oder gar die Atome modellieren? Was ist die gröbste Abstraktionsebene, mit der man die Entstehung von Bewusstsein beobachten kann?
Die evolutionsbiologische Legitimation des Gehirns ist es, ein Model zu entwickeln, das das Überleben und die Fortpflanzung in der gegeben Umwelt sicherstellt. Ob es deshalb sinnvoll ist, es isoliert, ohne den Rest des Universums, zu simulieren, steht zur Debatte.
Fragen zum Bewusstsein:
- Ist es substratabhängig? Ist die Kohlenstoffbasis essentiell? Oder stellt sich die selbe Art von Bewusstsein bei Vernetzung von Neuronen auf einen anderen Substrat (z.B. Siliziumchips) ein?
- Lässt sich das Entstehen von Bewusstsein aus den drei Milliarden Basenpaaren der menschlichen DNA direkt ableiten?
- Erwächst Bewusstsein aus Komplexität? Hat also jedes ‘System’ Bewusstsein, das mit seinen Level an Komplexität korrespondiert?
- Hat die Erde Bewusstsein? Die Milchstraße? Die Sonne?
- Können wir uns mit dem menschlichen Bewusstsein ein Bild von dem Bewusstsein einer Ameisenkolonie machen?
- Angenommen bei einer Modellierung des Gehirns entstünde Bewusstsein, wie würde man es beobachten? Durch welche Messergebnisse? Gibt es den gleichen Kreisschluss, den man als Individuum unterworfen ist? Müsste das Model sein Bewusstsein also mit modellieren?
- Tritt bei einer Modellierung kein Bewusstsein auf, ist das ein hinrechender Beweis, dass es eine ‘Weltseele’ (in indischer Philosophie Atman) gibt?
Bücher dazu:
- Stanislas Dehaene: Consciousness and the Brain
- Susan Blackmore: Conversations on Consciousness
Anmerkungen:
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Da gibt es einen Kreisschluss, da die Instanz des ‘Beobachters’ Teil des zu untersuchenden Systems ist. Es kann zu Rückkopplungseffekten (z.B. auch Resonanz) kommen. ↩
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Das wirkt erstmal viel, aber alleine 2020 pumpt Deutschland und die EU mehrere Billionen in die Wirtschaft. Ganz zu schweigen von den USA , die 2020 738 Mia alleine in ihre Verteidigung investiert. ↩