Als eher introvertierter Mensch fragt man sich manchmal warum man den eigentlich gerne viel Zeit alleine verbringt. Ich denke es gibt durchaus einige rationale Gründe.

Alleinsein

Ist man alleine, gibt es niemanden der das was man nach außen projiziert zurück spiegelt. Jegliche Anstrengung, vorgeben zu wollen mehr (oder weniger) zu sein als man ist, wird nicht durch Aufmerksamkeit belohnt. Verweilt man eine Zeit lang in diesem Zustand gibt man das Vortäuschen auf und kultiviert Ehrlichkeit. Dazu ist aber der Vorsatz notwendig eben dieses zu tun. Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, nüchtern zu sehen wo man steht. Das ist gar nicht so selbstverständlich wie es scheint. Hat man es aber einmal geschafft, den aktuellen Status klar zu sehen und zu akzeptieren kann man von dort aus weitermachen. Man kann nach Schätzen und Erkenntnissen suchen, Dämonen bekämpfen die sich eingenistet haben, und allerhand Abenteuer erleben. Ist der aktuelle Status klar kann man einen Pfad anfangen der da anfängt wo man gerade steht.

Wenngleich die Isolation auch sehr wichtig und förderlich ist, ist es doch nur eine Übung, eine Art Trainingslager für das eigentliche Leben in dem es eben auch andere Menschen gibt. Hat man eine Zeit lang geübt mit sich selber ehrlich und authentisch zu sein, wird sich das Bedürfniss einstellen, auch mit anderen Leuten so zu interagieren. Man wird die Freiheit die man durch die kultivierte Ehrlichkeit einmal erfahren hat auch im Alltag erleben wollen.
Ein Zitat dazu:

Habt ihr nicht gemerkt was ihr an Selbstbestimmung verspieltet die einer doch nur in dem Maße hat indem er versteht sich zur Sprache zu bringen.

- Protagonist zu seinem Vater in ‘Nachtzug nach Lissabon’ von Pascal Mercier.

Warum ist das nötig?

Ich denke es hängt damit zusammen, wo man sein Dopamin herbekommt. Dopamin ist neben Serotonin, Noradrenalin und Endorphin ein Glücksmolekül. Seine Aufgabe ist es die Motivation etwas sinnvolles zu tun zu erzeugen. Eben dieses Sinnvolle ist in der (Post)Moderne schwer zu definieren. Man muss nicht mehr konstant auf der Jagd oder Suche nach Nahrung sein, oder sein Revier vor Eindringlingen verteidigen. Dopamin ist ein Kontrollwerkzeug, ein Hebel geworden. Es wurde intrumentalisiert, zuletzt z.B. von sozialen Medien. Diese haben Psychologen engagiert um ihre Plattform so zu designen zielgerecht Belohnungen auszuschütten. Soziale Medien sind umsonst, also kein Produkt, der dort implementierte Dopaminliefermechanismus ist also ein Lockmittel die Plattform zu nutzen. Das Produkt sind erstens die durch das eigenen Verhalten erzeugten Daten und zweitens die Zeit die der Nutzer dort verbringt, also seine Aufmerksamkeit. Das Ziel der Betreiber ist ein möglichst langes Verweilen auf der Plattform sicherzustellen um mehr Werbung anzeigen zu können und das Verhalten besser zu verstehen. Die Kunden sind dann andere Firmen, die Werbung anzeigen wollen, oder sogar Politiker oder Parteien die gewählt werden wollen.

Das sind sehr mächtige, subtile Kontrollmechanismen die von großen Firmen eingesetzt werden. Das gefährliche ist, dass man die eingeimpften Ideen für die eigenen hält (z.B. wen man wählen will), da sie nach dem selben Muster gefestigt wurden, wie das menschliche Gehirn schon immer lernt. Durch Ausschüttung von Glücksmolekülen. Die Firmen setzen ihren Kontrollmechanismus beim menschlichen Glück an, haben dessen Integrität unterwandert. Hat man nun für sich das Ziel möglichst glücklich zu sein macht es Sinn sich diesen Mechanismen hinzugeben. Das echte Leben kann mit der Menge an Glücksmolekülen nicht mithalten. Ein Ausweg ist es, nicht Glück als Metrik für ein gutes Leben zu haben. Etwas anderes, etwas, das sich nicht so leicht kontrollieren und manipulieren lässt. Etwas das nicht seine Bedeutung verloren hat und nur noch eine Perversion seiner selbst ist.
Alternativ kann man bewusst diese optimierten Glücksvermittler vermeiden und die Basislinie runterschrauben. Extrem gesteigerte Stimulationen vermeiden, so dass auch geringere Dosen der Moleküle zu einem realistischen Glücklichsein ausreichen. Ein besinnen auf ‘echte, traditionelle, einfache Erfahrungen’, wobei diese auch zu einem Produkt verkommen sind…

We captured that Moment and run it on a loop through simple Rick’s mind. (Rick and Morty, Tales From the Citadel)

Nothing in the world is worth having or worth doing unless it means effort, pain, difficulty… I have never in my life envied a human being who led an easy life. I have envied a great many people who led difficult lives and led them well.

– Theodore Roosevelt

Es ist leicht geworden glücklich, sogar euphorisch zu sein. Damit hat dieses Ziel seinen Reiz verloren.