Zur zeitlichen Abfolge: Eine interessante Asymmetrie
Bei den indigenen Völkern:
Meskalin/Peyote (~6.000 Jahre, ca. 3780-3660 v. Chr.)
- Älteste dokumentierte Nutzung psychedelischer Substanzen überhaupt
- Kontinuierliche Tradition in Nord- und Mittelamerika
- Archäologische Belege durch getrocknete Peyoteknöpfe am Rio Grande
Psilocybin-Pilze (~4.000 Jahre, ca. 2000 v. Chr.)
- Mittelamerikanische Kulturen (Azteken, Maya, Tolteken)
- Kulturell tief verankert (Teonanácatl)
- Möglicherweise auch ältere Nutzung in anderen Weltregionen (Höhlenmalereien in Algerien werden auf 7.000-9.000 Jahre datiert, aber das ist umstrittener)
Ayahuasca/DMT (mindestens ~1.000 Jahre, wahrscheinlich viel älter)
- Archäologischer Fund in Bolivien aus dem 10. Jahrhundert
- Vermutlich jahrtausendealte Tradition im Amazonasbecken
- Weniger archäologische Evidenz durch schwierige Konservierung im Regenwald
- Ununterbrochene Praxis bis heute bei Shipibo, Asháninka, Shuar
Bei den Chemikern – eine Frage der Zugänglichkeit, nicht des Alters:
1. Meskalin (1896/1919)
- Arthur Heffter isoliert es 1896 aus Peyote
- Ernst Späth synthetisiert es 1919
- Warum zuerst? Peyote war den europäischen Forschern früher bekannt (spanische Berichte seit dem 16. Jh.), wuchs in zugänglichen Wüstenregionen, und Meskalin ist chemisch einfacher zu isolieren als die Tryptamine
2. LSD (1938/1943)
- Hofmann synthetisiert es 1938
- Entdeckt die psychedelische Wirkung 1943
- Warum vor Psilocybin und DMT? Reiner Zufall der Forschungsrichtung – Hofmann arbeitete an Mutterkorn-Alkaloiden, nicht an Pilzen oder amazonischen Pflanzen
3. DMT/Ayahuasca (1931 synthetisiert, 1950er verstanden)
- Richard Manske synthetisiert DMT 1931
- Stephen Szára entdeckt die psychedelische Wirkung in den 1950ern
- Richard Spruce identifiziert die Ayahuasca-Liane bereits 1851, aber seine Aufzeichnungen erscheinen erst 1908
- Das Ayahuasca-Prinzip wurde erst nach 1958 vollständig verstanden.
- Warum so spät? Der Amazonas war am schwierigsten zugänglich, die biochemische Komplexität (MAO-Hemmer + DMT) am schwersten zu verstehen
- Mehr Details zur zeitlichen Abfolge.
4. Psilocybin (1958/1959)
- Hofmann isoliert und benennt es 1958
- Veröffentlicht die Struktur 1959
- Warum am spätesten? Die mexikanischen Zauberpilze wurden der westlichen Wissenschaft erst in den 1950ern durch R. Gordon Wasson bekannt gemacht – nach der spanischen Kolonisierung waren sie im Untergrund praktiziert worden
Die Asymmetrie zwischen “indigener” und “chemischer” Abfolge
Alle drei großen pflanzlichen Traditionen – Peyote, Psilocybin-Pilze und Ayahuasca – sind ungefähr gleich alt. Ihre Nutzung reicht Jahrtausende zurück.
Die wissenschaftliche Entdeckung folgte keiner logischen Reihenfolge, sondern dem Zufall und der kolonialen Geografie. Meskalin wurde 1896 als erstes isoliert, nicht weil Peyote das älteste Psychedelikum war, sondern weil mexikanische Kakteen für europäische Chemiker am leichtesten zugänglich waren. Psilocybin wurde erst 1958 aus mexikanischen Pilzen extrahiert, obwohl diese ebenso alt sind wie Peyote. Und Ayahuasca? Das pharmakologisch komplexeste System (zwei Pflanzen, die nur zusammen wirken) blieb am längsten verborgen: geschützt durch den Regenwald, durch die Komplexität seiner Zubereitung, durch das fehlende koloniale Interesse an den entlegensten Winkeln des Amazonas. Die Wissenschaft arbeitete sich von außen nach innen vor, von den zugänglichen Peripherien ins verborgene Herz.
Und LSD? Das war eine Anomalie. Eine Substanz ohne indigene Geschichte, ein reines Labor-Artefakt, das sich dann als strukturell verwandt mit den uralten pflanzlichen Psychedelika herausstellte. Hofmann nannte es nicht umsonst sein “Sorgenkind”; Es hatte keine jahrtausendealte rituelle Einbettung, keine kulturelle Weisheit über den richtigen Gebrauch. Es gibt Hinweise, das die Substanz auf dem Planeten doch schon vorher eine Rolle spielte.