Sucht man Zuflucht in einer Ideologie1 die so konstruiert ist, dass sie hier, jetzt, im Diesseits nicht zu erreichen ist, ist das Eskapismus. Eskapismus in den luftleeren Raum. Den Deutschen wird nachgesagt sie seien sehr verinnerlicht, also leicht empfänglich für solche “höheren” Ideen.

Wird eine Utopie entworfen, kann es passieren, dass sie keinerlei Verbindung zum Status Quo hat. Kein mögliches Szenario kann zu der porträtierten Utopie führen. Es ist ein Dilemma. Orientiert man sich zu stark an der Vergangenheit (und Gegenwart) ist man in ihr gefangen. Entfernt man sich zu weit, bleiben Realität und Utopie immer getrennte Fragmente2. Man kann auf zwei Arten versuchen es zu lösen:

  1. Man startet bei der Abstraktion vom Status Quo, arbeitet sich in mögliche Wege der Transformation oder Revolution ein, und adressiert existierende Menetekel, bzw. schon manifestiertes Unheil. Dieser Ansatz ist intrinsisch reaktionär und damit beschränkt, bietet dafür aber wenig Potential sich zu sehr zu entkoppeln.

  2. Ein alternativer Ansatz besteht darin, ein Utopie mit dem minimal möglichen Satz an Annahmen aus der Vergangenheit und über die “Realität” zu konstruieren. Zusätzlich muss man ein Ziel, das Gute, das zu Erreichende definieren. Der erste Teil scheint gangbar und man kann sich an der Mathematik orientieren, dort heißen diese Annahmen Axiome. Eine Ontologie des Greifbaren (=Realität) aufzustellen scheint auch machbar. Der zweite Teil, die Definition des Guten wirft jedoch Probleme auf. Man kann ein Ziel postulieren, und als Axiom in die Annahmen mit einfließen lassen. Das verschiebt jedoch die Problematik nur, da verschiedene Mengen an Axiomen, die sich potentiell nur durch ihre Ziele unterscheiden, zu verschiedenen Utopien führen. Aus denen muss beizeiten die “Beste” ausgewählt werden.

Betrachtet man im zweiten Ansatz den liberalen Humanismus als Model, das aktuell wohlbekannt und in weiten Teilen akzeptiert ist, steht der Mensch bei dieser Zielfindung im Mittelpunkt. Liberal kann man hier so interpretieren, dass möglichst wenige Annahmen und Vorschriften gemacht werden. Und genau hier kommt ein Kreisschluss. Möglichst wenige Annahmen und Regeln, bis auf die des liberalen Humanismus. Unter Annahme der Kenntnis von negativer und positiver Freiheit kann man erahnen wieso dieser Weg in der Postmoderne endet. Wo ist das Problem damit? Ein wichtiger Teil der Postmoderne ist die Selbstreferenzierung. Die Realität hingegen ist offensichtlich nicht fraktal (Konsequenz der Selbstreferenzierung). Umschiffen kann man das, indem man (negative) Freiheit explizit aus der Menge der Ziele (oder Annahmen) ausklammern.

Konsistenz und Nichtambiguität im Wertesystem scheinen illusorisch. Aber wer fordert es überhaupt? Auf welcher Grundlage kann man im (neo3) liberalen Humanismus solch eine Konsistenz fordern? Zeitgemäßer wäre es sich auch von solchen Ansprüchen zu befreien. Wohin bleibt offen. Genau diese Offenheit ist die positive Freiheit, die auch die Richtung in der ersten aufgezeichneten Option ist.


Anmerkungen

  1. denn darum geht es recht oft, darauf kann man vieles reduzieren - In irgend etwas Zuflucht/Schutz/Legitimation zu finden, sei es Christus, Buddha, das Land, der Markt, der Körper, der Geist, … 

  2. tbd : in welchen Raum? 

  3. Vor allem in der Wiederauflage scheint es nicht nötig, da achtet man ja logischerweise nicht so auf das Fundament, man bezieht sich auf das bestehende Konstrukt.